Waldmeister – ein Kraut gegen dämonische Kräfte

Alexandra Wizemann

Es trägt viele Namen und ist von alters her beliebt als Würz- und Heilpflanze in Küche und Arznei: das Wohlriechende Labkraut (Galium odoratum), besser bekannt unter den Trivialnamen Waldmeister, Mäserich, Maikraut, Waldmännchen oder Schumarkel. Viele Leute kennen den Waldmeister nur aus Brausepulver und Wackelpudding oder als Zutat der berühmten Maibowle. Doch das würzige Kraut fand schon in früherer Zeit in einer Vielzahl von Produkten Verwendung. Lange nahm der Waldmeister im Reigen der Heilpflanzen in der Volksmedizin eine prominente Stellung ein. Das große Verbreitungsgebiet, die einfache Verarbeitung und ein breites Anwendungsspektrum zeichnen die Staude aus. Wegen seiner starken Nebenwirkungen, besonders bei falscher Dosierung, wird Waldmeister jedoch in neuerer Zeit nur noch in geringen Dosen verwendet.


Vorkommen

Waldmeister ist – wie der Name schon sagt – eine Waldpflanze und kommt von Nord, Mittel- und Osteuropa bis in den asiatischen Teil der Türkei, Kaukasus und Kasachstan sowie in Westsibirien, Altai, in Algerien, China, Japan und Korea vor. Die Pflanze ist in Nordamerika ein Neophyt. Er gedeiht meist in Höhenlagen von bis zu 1.400 Meter in gemäßigten und kühlen Zonen. In den Allgäuer Alpen steigt er im Tiroler Teil am Schartschrofen bis zu 1.580 m Meereshöhe auf. 


Waldmeister-Buchenwald

In Mitteleuropa wächst der Waldmeister am häufigsten in schattigen Rotbuchenwäldern (die Art ist namensgebend für den Waldmeister-Buchenwald), kommt aber auch in Eichen-Hainbuchenwäldern vor. Er liebt kalkreichen, humosen, lockeren Boden und halbschattige bis schattige Plätze unter Bäumen. Es gibt neben dem genannten Waldmeister um die 500 typische Pflanzenarten im Waldmeister-Buchenwald z.B. Einblütiges Perlgras (Melica uniflora), Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis), Waldgerste (Hordelymus europaeus), Haselwurz (Asarum europaeum), Zwiebel-Zahnwurz (Cardamine bulbifera), Goldnessel (Lamium galeobdolon), Gelbes Windröschen (Anemone ranunculoides), Bärlauch (Allium ursinum), Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus), Leberblümchen (Hepatica nobilis), Wald-Gelbstern (Gagea lutea), Hohler Lerchensporn (Corydalis cava) und Gefingerter Lerchensporn (Corydalis solida).

Unter den Pflanzen sind viele Frühjahrsgeophyten, sogenannte Frühblüher, welche im zeitigen Frühjahr noch vor dem Ausschlagen der Bäume blühen und den Waldboden einfärben. Auch verschiedene Orchideenarten wachsen in diesem Lebensraum, insbesondere wenn es sich um wärmebegünstigte Standorte handelt. Bei besonders ausgeprägten Vorkommen spricht man dann von Orchideenbuchenwälder. Waldmeister-Buchenwälder gehören an vielen Standorten in Mitteleuropa mit basischem Untergrund zur potentiell natürlichen Vegetation. Sie kommen deshalb in fast allen Regionen Deutschlands vor, wenn neben dem Boden-pH auch die sonstigen Standortbedingungen, v.a. die Bodenfeuchte im gemäßigten Bereich bleiben, so dass sie von der Buche besiedelt werden können; sie sind allgemein einer der häufigsten Lebensräume in Deutschland. [1]


Vegetative Merkmale

Waldmeister wächst als überwinternd grüne, ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von 5 bis 50 cm. Dieser Hemikryptophyt [2] bildet unterirdisch kriechende, dünne, mehr oder weniger lange Rhizome als Überdauerungsorgane, mit denen sich der Waldmeister auch vegetativ vermehren kann. Ihre aufrechten, unverzweigten, vierkantigen Stängel sind glatt und kahl, außer an den Knoten (Nodien), die kurz steif behaart sind.

Die zu sechst bis acht in Quirlen am Stängel stehenden Blätter sind sitzend bis zu einem Millimeter lang gestielt. Die einfache, einadrige Blattspreite ist länglich-lanzettlich oder schmal-elliptisch mit einer Länge von meist 15 bis 50 (6 bis 65) mm, einer Breite von meist 4,5 bis 15 (3 bis 17) mm und einem Länge/Breite-Verhältnis von etwa 4:1. Die Spreite verschmälert sich am Grund spitz bis keilförmig, die Spitze ist zugespitzt oder stumpf mit abrupter Stachelspitze. Der flache Blattrand ist rau. Die Blattflächen sind weitgehend kahl; es können vorwärtsgerichtete Mikrohaare auf der Oberseite und an der Mittelrippe der Unterseite vorhanden sein. Die Blätter werden beim Trocknen papierartig. [3]


Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht je nach Standort von April bis Mai oder Juni. Einige bis viele Blüten stehen in einem endständigen, zymösen Blütenstand zusammen. Es können laubblattähnliche Tragblätter vorhanden sein. Die Blütenstiele weisen eine Länge von 1 bis 4 Millimeter auf.

Die kleinen, zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und vierzählig. Der Kelch ist nur rudimentär ausgebildet. Die vier weißen oder bläulich-weißen, kahlen, 4,5 bis 6,5 mm langen und 3 bis 7 mm breiten Kronblätter sind auf etwa der Hälfte ihrer Länge mehr oder weniger breit trichterförmig verwachsen. Die Kronlappen sind dreieckig-spatelförmig mit spitzem oberen Ende. Es ist nur ein Kreis aus meist vier fertilen Staubblättern vorhanden, die in der Kronröhre inseriert sind. Zwei Fruchtblätter sind zu einem unterständigen, etwa 0,8 mm langen, ellipsoidischen bis verkehrt-eiförmigen, kurz steif behaarten Fruchtknoten verwachsen, der eine Samenanlage je Fruchtknotenkammer enthält. Die zwei Griffel sind bis oben hin frei mit je einer kopfigen Narbe. Es ist ein Diskus vorhanden.

Die trockene Spaltfrucht zerfällt in zwei einsamige Teilfrüchte. Die 2 bis 3 mm langen, eiförmigen bis fast kugeligen Teilfrüchte sind mit 1 bis 1,2 mm langen, hakigen Borsten besetzt. Mit den Borsten klammern sich die Teilfrüchte als Klettfrüchte an Fell, Gefieder oder auch Kleidungsstücken fest und können so weit ausgebreitet werden. Die Früchte reifen zwischen Juni und September. [4]


Bestäubung

Der Waldmeister ist ein wintergrüner Geophyt [5] und Chamaephyt [6] mit Rhizomen.

Waldmeister gehört zu den Pflanzenarten, die ihre männlichen Staubgefäße früher ausbilden als die weiblichen Geschlechtsorgane, eine Strategie, die Fremdbestäubung fördert. Die Blüten sind weiße, „Kleine Trichterblumen“. Meist erfolgt die Bestäubung durch Fliegen; daneben ist auch Selbstbestäubung möglich.

Die Früchte sind borstig behaarte Spaltfrüchte, die die Klettausbreitung unterstützen. Die Samen sind Frostkeimer.

Aufgrund der vegetativen Vermehrung gibt es sehr viele Ausläufer.

Mehrere Spannerarten sind auf Labkräuter wie den Waldmeister als Raupenfutterpflanze oligophag spezialisiert, so der Rotbinden-Blattspanner (oder Dunkelrote Bergwald-Blattspanner) (Catarhoe rubidata), der Olivgrüne Bergwald-Blattspanner (Colostygia olivata), der Rauchbraune Labkraut-Blattspanner (Lampropteryx suffumata) der Schluchten-Labkrautspanner (Nebula tophaceata) und polyphag der Gelblichweiße Kleinspanner oder Labkraut-Kleinspanner (Scopula floslactata). [7]


Einige morphologisch ähnliche Arten

Der echte Waldmeister kann mit dem Wiesen-Labkraut (Galium mollugo) und dem Wald-Labkraut (Galium sylvaticum) verwechselt werden. Beide haben aber verzweigte Stängel. [8]


Verwendung

Waldmeister ist vielen als Kraut für süße Speisen und Getränke bekannt. Tatsächlich gibt es unzählige Rezepte für die Zubereitung der auch als Maiblume bekannten Pflanze. Weniger bekannt ist, dass der Waldmeister auch ein altbekanntes Heilkraut ist, welches in der Volksmedizin auch heute noch Verwendung findet.

In der Küche wird Waldmeister meist für Süßspeisen oder Getränke verwendet. Das Aroma des Krauts wird vor allem durch den Inhaltsstoff Cumarin beeinflusst. Es hat einen sehr eigenen Geschmack, der mit anderen Kräutern und Geschmäckern nicht vergleichbar ist. Pur kann man ihn als leicht bitter mit einem angenehm frischen Nachgeschmack vergleichen.

Waldmeister ist in vielen handelsfertigen Getränken als Geschmacksträger enthalten. Recht häufig finden sich daher Waldmeisterlimonaden, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind. Das Kraut ist jedoch auch in Form von Sirup sowie als Likör erhältlich. Möglich, und auch recht beliebt, ist die Verwendung der Pflanze in Cocktails oder Bowlen. Die berühmte Waldmeisterbowle (Maibowle), die aus Weißwein und Sekt zubereitet wird, wird häufig auf Feierlichkeiten getrunken.

Aber auch bei der Zubereitung von süßen Gerichten setzen Kenner auf das grüne Kraut aus dem Wald. Recht große Bekanntheit dürfte der Waldmeisterwackelpudding bzw. die Götterspeise haben, die durch ihre auffällige Farbe immer wieder ein Hingucker ist. Auch für Cremes, Torten, Muffins bzw. Cupcakes und Füllungen gibt es jede Menge Rezepte, für die vor allem der Waldmeistersirup verwendet wird. Für Süßspeisen lässt sich Waldmeister auch mit anderen Kräutern wie Pfefferminze, Stevia oder Gundelrebe kombinieren.

Bei der Herstellung handelsfertiger Getränke werden nicht selten synthetische Inhaltsstoffe verwendet, die den Geschmack von Waldmeister imitieren sollen. Grund ist, dass für den im Kraut enthaltenden Inhaltsstoff Cumarin Höchstwerte festgelegt wurden. Bei häufigem Gebrauch können durch dieses Cumarin Kopfschmerzen sowie Leberbeschwerden auftreten. Der gelegentliche Verzehr gilt als vollkommen unbedenklich. Kinder sollten jedoch nur selten und wenn, dann nur geringe Mengen waldmeisterhaltiger Speisen und Getränke zu sich nehmen. [9]

  

Was ist Cumarin und worin ist es enthalten?

Cumarin (Kumarin) ist ein natürlicher Aroma- und Duftstoff, der in vielen Pflanzen enthalten ist. In höheren Konzentrationen kommt er in bestimmten Zimtsorten und in Waldmeister vor. Aus toxikologischer Sicht gilt Cumarin als bedenklich, da es in Tierversuchen in hohen Dosen krebserregend wirkt, für den Menschen wurde ein erhöhtes Krebsrisiko bisher nicht nachgewiesen. In hohen Aufnahmemengen kann Cumarin Leberschäden, im Extremfall Hepatitis mit Leberversagen, verursachen. Bereits geringe Mengen des Stoffes können bei empfindlichen Personen zu Leberschäden führen, die allerdings reversibel sind.

Die Genotoxizität (Erbgut schädigende Wirkung) von Cumarin konnte nicht bestätigt werden.

2006 verunsicherten Zimtprodukte die Bevölkerung. Insbesondere der Cassia-Zimt, welcher auch in Zimtkapseln für Diabetiker Verwendung findet, enthält größere Mengen lebertoxischen Cumarins. Daneben ist Cumarin auch in Waldmeister und Tonkabohnen (mexikanische Vanille), sowie in Steinklee, Zimt- und Pfefferminzöl vorhanden. In kleinen Mengen ist Cumarin auch in Aprikosen, Brombeeren, Erdbeeren, Datteln, Kirschen sowie in Gartenkräutern wie Salbei, Dill und Kamille enthalten. [10]


Waldmeister-Likör

Der Waldmeistergeschmack kommt besser zur Geltung, wenn das Kraut nach der Ernte ein wenig liegen bleibt und leicht anwelkt.

# 20 Stängel Waldmeister mit Blüten

# 200 g brauner Rohrzucker

# 2 Zitronen (optional)

# 1 Liter Branntwein (Korn, Cognac, Wodka)

Zubereitung

# Den Waldmeister kurz vor oder direkt nach dem Öffnen der Blüten ernten, waschen, trockentupfen und kurz trocknen lassen

# In der Zwischenzeit den Zucker in ein ca 1,5 Liter fassendes, sauberes Bügelglas geben. Den Waldmeister dazugeben, das Ganze mit dem Branntwein auffüllen und gut durchschütteln.

# Den Ansatz drei Wochen ziehen lassen, dann durch ein Sieb filtern und in saubere Flaschen füllen.

# Den Waldmeister-Likör drei bis sechs Monate an einem dunklen, kühlen Ort reifen lassen. Später kühl und dunkel aufbewahren.

Ein Lagerlikör, denn je älter, umso harmonischer wird er. Frisch ist der Likör etwas aufdringlich, was sich mit der Zeit aber gibt.

Tipp: In die Sahne einer Erdbeertorte ein Gläschen Walmeister-Likör geben, das bringt einen edlen Geschmack in die Torte. [11]

  

Waldmeister-Minze-Likör

Frische Minze verleiht dem Waldmeister-Likör etwas Kühlendes. Die Mischung lässt den schweren Waldmeistergeschmack luftiger und leichter werden.

# 1 Stängel Waldmeister (die oberen drei Blätter mit Blüte)

# 5 Stängel Pfefferminze (Mentha multimentha), ca. 15 cm lang

# 1 Zitrone

# 550 ml Apfelbrand (42-45 %)

# 300 ml klarer Apfelsaft

# 300 g Zucker

Zubereitung

# Den Apfelsaft erhitzen und den Zucker darin auflösen. Die Zitrone auspressen und den Saft zugeben. In den noch heißen Zuckersirup die abgezupften Pfefferminzblätter geben. Zugedeckt abkühlen lassen.

# In den abgekühlten Minze-Sirup den Alkohol geben und die Waldmeisterzweige an einer Schnur einhängen. Nach zwei Stunden den Waldmeister wieder entfernen.

# Den Ansatz ohne den Waldmeister weitere zwei Tage ziehen lassen und anschließend durch ein Tuch filtrieren und abfüllen.

Ganz frisch schmeckt dieser Likör sehr erfrischend, gelagert wird er ruhiger und verliert das spritzige Gefühl. Je nach Geschmack des Likörtrinkers wird der frische oder der gelagerte Likör vorgezogen. Er darf ruhig zwei Jahre alt werden. [12]


Heilpflanze

Der Waldmeister war bereits in der Antike sowie im Mittelalter als Heilkraut bekannt. Allerdings war sein Anwendungsspektrum meist auf äußerliche Beschwerden begrenzt. In alten Kräuterbüchern wird der Waldmeister u.a. als Walstro beschrieben. P.A. Matthioli (16. Jahrhundert) empfahl die Wurzel des Krauts zur Erlangung der Unkeuschheit, womit vermutlich eine gesteigerte Libido gemeint ist. Die Blüten der Pflanze wurden als Pulver zerstoßen bei Brandwunden verwendet. Die Blätter sowie die Blüten wurden auch für Fußbäder verwendet, um müde Glieder zu beleben. Waldmeister wurde in verschiedenen Klöstern als Heilkraut angebaut.

Die im Waldmeister enthaltenden Inhaltsstoffe wirken im Allgemein antientzündlich, antibakteriell, antioxidativ sowie teilweise antiviral (gegen Herpes Simplex). In einigen Studien wurde der Einsatz des Waldmeisters als mögliches Mittel bei Brandwunden erforscht. Dort konnte beobachtet werden, dass die Wirkung vieler Inhaltsstoffe (Gerbstoffe, Flavonoide, Cumarin) zu schnellerer Hautregeneration führten.

In der Volksmedizin wird das Waldmeisterkraut heute noch gelegentlich bei einigen Beschwerden bzw. Kuren eingesetzt. Bekannte Anwendungen sind kleinere Beschwerden bei Galle und Leber oder Magen- und Darmleiden (Magen- und Darmkrämpfe). Weitere Anwendungsgebiete sind aber vor allem die folgenden: nervöse Unruhezustände, Einschlafstörungen, Migräne, Menstruationsbeschwerden, Frühjahrsmüdigkeit, Furunkel und Geschwüre, Wunden und Verletzungen der Haut.

Eingenommen wird der Waldmeister häufig in Form eines Kräutertees. Für einen Waldmeistertee (250 ml) benötigt man 1 bis 2 Teelöffel frisches oder getrocknetes Kraut, welches mit heißem Wasser übergossen wird. Der Tee muss etwa 5 bis 7 Minuten ziehen. Waldmeistertee kann mit Honig gesüßt werden. Für eine Behandlung wird das Heilgetränk zwischen zwei bis drei Mal pro Tag für eine Dauer von etwa einer Woche eingenommen.

Hinweise zur Anwendung und Nebenwirkungen: Waldmeister nicht dauerhaft und über einen längeren Zeitraum konsumieren. Überdosierungen können zu Kopfschmerzen sowie unter Umständen zu Leberbeschwerden führen. Schwangere sollten vom Konsum waldmeisterhaltiger Getränke und Hausmittel absehen. [13]


Verwendung im Haushalt

Früher wurden kleine Säckchen mit trockenem Waldmeister gefüllt und in den Kleiderschrank gelegt, um Motten fernzuhalten. Heutzutage wird dafür jedoch meist der wohlduftende Lavendel genutzt. [14]


Etymologie

Für den heute am weitesten verbreiteten deutschen Trivialnamen Waldmeister gibt es verschiedene Erklärungsvorschläge: Er wird gedeutet als „Meister des Waldes“, also die erste und wichtigste Pflanze im Wald, oder auch im Sinne einer „im Walde wachsenden Pflanze mit meisterhafter Heilkraft“. Inhaltlich ähnlich sind die Trivialnamen im Serbischen, wo der Waldmeister prvenac (Erstling, Anführer) genannt wird, im Französischen, wo man ihn reine des bois (Königin der Wälder) nennt, und in der lateinischen Bezeichnung matrisylva (Waldmutter). Eine andere Vermutung ist, dass Waldmeister aus der Bezeichnung Wald-Mösch(en) oder -Meiserich entstellt sei, die entweder auf eine niederdeutsche Ableitung zu mos (Moos) oder wie das französische (petit) muguet auf spätlateinisch muscus (Moschus) zurückgeführt wird, oder aus dem Namen Waldmeier; Meier ist dabei die deutschsprachige Bezeichnung für die Gattung Asperula, der der Waldmeister früher als Asperula odorata zugeordnet wurde. Der Begriff Meier wird wiederum als Variante der Pflanzenbezeichnung Miere verstanden, die seit dem 15. Jahrhundert als myer bekannt ist. Außerdem wird der Name auch über eine hypothetische mittellateinische Form herba Walteri Magistri, die als Waltermeister ins Deutsche übertragen worden sein soll, mit den im 13. Jahrhundert belegten Bezeichnungen mittelenglisch herbe wauter und mittellateinisch herba Walteri in Verbindung gebracht. [15]


Aphrodisiakum, Zaubermittel und Ritualgewächs

Waldmeister soll als Mittel gegen dämonische Kräfte verwendet worden sein. In Posen wurde Kühen, die nicht fressen wollten, Waldmeister mit etwas Salz gegeben. Hexen ließen sich angeblich durch eine Mischung von Waldmeister, Johanniskraut und Härtz Bilgen (Mentha pulegium) vertreiben. [16]


Quellen:

[1] www.deutschlands-natur.de/lebensraeume/waelder/waldmeister-buchenwald-asperulo-fagetum

[2] Hemikryptophyten (auch Hemicryptophyten) (griechisch „verborgen“ und „Pflanze“) sind Pflanzen, deren Überdauerungsknospen an der Erdoberfläche liegen. In der Regel sind diese von Schnee, Laub oder Erde als Witterungsschutz bedeckt.

[3] de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister

[4] de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister

[5] Geophyten überdauern unter der Erde

[6] Chamaephyten sind nach dem System der Lebensformen nach Raunkiær ausdauernde Pflanzen, deren Überdauerungsorgane (Erneuerungsknospen) sich unterhalb der mittleren Schneehöhe von 50 cm befinden und damit im Schutz einer Schneedecke überwintern bzw. sonstige hygrische oder thermische Ungunstabschnitte im Jahresverlauf überdauern.

[7] de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister

[8] Was blüht denn da? Kosmos Naturführer, von M. und R. Spohn, 59. Auflage, 2015, Seite 126, ISBN 978-3-440-13965-3

[9] www.kraeuter-buch.de/kraeuter/Waldmeister

[10] www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/cumarin-in-nahrungsergaenzungsmitteln-13459

[11] Liköre aus Garten, Wald und Wiese von Susanne Oettle, Ulmer Verlag, Seite 31, ISBN 978-3-80001-0830-5 und 
Blüten- und Kräuter Liköre von Rita Vitt, Ulmer Verlag, Seite 58, ISBN 978-3-8186-0689-3

[12] Blüten- und Kräuter Liköre von Rita Vitt, Ulmer Verlag, Seite 101, ISBN 978-3-8186-0689-3

[13] www.kraeuter-buch.de/kraeuter/Waldmeister

[14] www.kostbarenatur.net/anwendung-und-inhaltsstoffe/waldmeister

[15] de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister

[16] de.wikipedia.org/wiki/Waldmeister

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Tausende Stare bewegen sich dabei wie eine einzige, atmende Masse durch den Himmel. Kein Anführer, kein Regisseur, kein zentrales Kommando – und doch absolute Synchronität. Der Grund ist denkbar pragmatisch: Raubvögel wie Falken können sich kaum auf ein einzelnes Ziel konzentrieren. Der Schwarm schützt jedes einzelne Tier durch pure Kooperation. Kein Vogel ist wichtiger als der andere, und genau das macht alle sicherer. Ein Prinzip, das auch in menschlichen Teams erstaunlich gut funktioniert – zumindest solange niemand versucht, sich dauerhaft in den Mittelpunkt zu drängen. Ähnlich klar organisiert ist die Zusammenarbeit bei Wölfen – allerdings weniger hierarchisch, als lange angenommen wurde. Moderne Verhaltensforschung zeigt: Ein Wolfsrudel ist meist eine Familiengemeinschaft, bestehend aus einem Elternpaar und dessen Nachwuchs. Entscheidungen entstehen oft situativ und kooperativ. Das berühmte Heulen ist kein Ausdruck von Romantik, sondern ein hochfunktionales Kommunikationsmittel. Wölfe heulen, um sich zu sammeln, um Kontakt zu halten, um Zugehörigkeit zu klären. Gejagt wird gemeinsam, aber nicht nach starren Befehlen, sondern mit flexiblen Rollen, die sich je nach Situation und Erfahrung der Tiere verändern. Führung ist hier kein Dauerstatus, sondern eine Aufgabe auf Zeit – übernommen von dem Tier, das gerade die besten Voraussetzungen mitbringt. Das spart Energie. Und erstaunlich viele Konflikte. Auch Ameisen sind Meisterinnen der effizienten Zusammenarbeit – und das ganz ohne Chefetage. Besonders faszinierend ist ihr sogenannter Tandemlauf. Dabei führt eine erfahrene Ameise eine andere gezielt zu einer Nahrungsquelle. Die Geführte bleibt durch ständigen Kontakt in der richtigen Richtung, lernt den Weg und kann ihn später selbstständig nutzen. Wissen wird nicht abstrakt vermittelt, sondern im Tun weitergegeben. Viele moderne Führungskräfte würden dafür ein Tagesseminar buchen. Manche Tierarten treiben Teamarbeit sogar in eine ästhetische Dimension. Flamingos etwa versammeln sich zu Tausenden und führen synchronisierte Gruppentänze auf. Beine heben, drehen, schreiten – alles gleichzeitig. Das sieht spektakulär aus, erfüllt aber einen klaren Zweck: Es stärkt den Zusammenhalt und spielt eine zentrale Rolle bei der Partnerwahl. Wer aus dem Takt gerät, fällt auf. Auch Delfine sind bekannt für ihre synchronen Bewegungen. Sie schwimmen abgestimmt, führen gemeinsame Pirouetten aus, helfen verletzten Artgenossen und lösen Probleme kooperativ. Empathie ist hier kein sentimentaler Zusatz, sondern Teil der Überlebensstrategie. Besonders spannend wird Zusammenarbeit dort, wo sie Artgrenzen überschreitet. In der Natur nennt man das Symbiose – Zusammenleben zum gegenseitigen Vorteil. Ein klassisches Beispiel ist die Beziehung zwischen Clownfisch und Seeanemone. Die Anemone ist mit giftigen Nesselkapseln bewaffnet, die selbst große Räuber vertreiben. Der Clownfisch jedoch lebt geschützt zwischen ihren Tentakeln, da seine Haut chemisch so getarnt ist, dass die Anemone ihn nicht als Fremdkörper erkennt. Im Gegenzug vertreibt der Clownfisch Fressfeinde der Anemone. Schutz gegen Verteidigung. Klarer Deal, klare Rollen. Auch Wölfe arbeiten artübergreifend – etwa mit Kolkraben. Die Vögel entdecken aus der Luft Kadaver oder verletzte Tiere, die Wölfe öffnen mit ihren Zähnen die dicke Haut. Erst dann können beide fressen. Ohne Absprache, aber mit gegenseitigem Nutzen. Vertrauen entsteht hier nicht aus Sympathie, sondern aus Erfahrung. Im Korallenriff übernehmen Putzerfische die Rolle mobiler Zahnärzte. Große Fische öffnen bereitwillig ihr Maul und lassen Parasiten und Essensreste entfernen. Eine riskante, aber lohnende Kooperation. Allerdings gibt es Betrüger: Fische, die sich als Putzer tarnen, zubeißen und fliehen. Die Folge ist Misstrauen. Manche Räuber fressen lieber den Putzerfisch, als sich auf die Reinigung einzulassen. Auch das ist Natur: Kooperation braucht Verlässlichkeit – sonst endet sie abrupt. Nicht jede Symbiose ist so ausgewogen, wie sie lange schien. Beim Madenhacker etwa, der auf Antilopen, Büffeln oder Nashörnern sitzt, zeigte sich erst spät: Er frisst nicht nur Parasiten, sondern oft auch Fleisch aus offenen Wunden. Die Beziehung nützt häufig mehr dem Vogel als dem Säugetier. Zusammenarbeit ist also nicht automatisch fair. Ein wichtiger Hinweis für alle, die Teamarbeit idealisieren. Dass Kooperation sogar hochgradige kognitive Leistungen erfordert, zeigen aktuelle Forschungen zur gemeinsamen Jagd von Oktopussen und Rifffischen. Der Biologe Eduardo Sampaio und sein Team konnten nachweisen, dass diese Tiere ihr Verhalten flexibel aufeinander abstimmen. Die Fische zeigen dem Oktopus versteckte Beute, der Oktopus scheucht sie heraus oder umschlingt sie mit seinen Armen. Wer die Zusammenarbeit ausnutzt, riskiert Sanktionen. Kooperation erfordert Wahrnehmung, Lernen – und soziale Kontrolle. Besonders aufschlussreich ist auch der Vergleich zwischen Wolf und Hund. Obwohl Hunde als besonders kooperativ gelten, schneiden sie in Tests zur Zusammenarbeit mit Artgenossen schlechter ab als Wölfe. In Experimenten, bei denen zwei Tiere gleichzeitig an einem Seil ziehen mussten, um an Futter zu kommen, warteten Wölfe geduldig aufeinander und koordinierten ihr Handeln. Hunde agierten häufiger individuell. Die Erklärung ist simpel und unbequem: Hunde sind auf Kooperation mit Menschen selektiert – nicht mit ihresgleichen. Teamfähigkeit ist also keine Selbstverständlichkeit, sondern kontextabhängig. Ein Extrembeispiel für kompromisslose Zusammenarbeit liefern Nacktmulle. Blind, haarlos und fast schmerzunempfindlich leben sie in Kolonien von bis zu 300 Tieren unter der Erde. Es gibt eine Königin, Arbeiter und Soldaten, klare Aufgaben und sogar eigene Dialekte. Effizienz und Spezialisierung sind hier perfekt – individuelle Freiheit spielt keine Rolle. Bewundernswert, ja. Erstrebenswert für menschliche Teams? Eher nicht. Denn natürlich hat Zusammenleben auch Nachteile. Konkurrenz um Nahrung, Rangkämpfe, Krankheiten und Parasiten gehören ebenso dazu. Tiergruppen müssen ständig abwägen, ob Kooperation sich lohnt. Gruppengröße, Verwandtschaft, Lebensraum und Jahreszeit entscheiden darüber, ob Teamarbeit Vorteile bringt oder zur Belastung wird. Und genau hier liegt die wichtigste Lehre für uns Menschen: Gute Teams entstehen nicht aus Harmonieversprechen, sondern aus Klarheit. Klare Kommunikation, verlässliche Rollen, gegenseitiger Nutzen und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Tiere zeigen uns nicht, wie man nett zusammenarbeitet – sondern wie man wirksam zusammenlebt. Vielleicht ist das der größte Mehrwert der Natur für Coachingprozesse: Sie erlaubt uns, Teamverhalten jenseits von Moral und Ideologie zu betrachten. Ehrlich, funktional und oft erstaunlich humorvoll. Denn manchmal reicht ein Blick ins Starengemurmel, um zu erkennen: Wenn alle versuchen, der Falke zu sein, wird das Team sehr schnell sehr klein. Quellen: Teamwork - 3sat-Mediathek Symbiose: Warum sich Tierarten zusammentun - [GEOLINO] Tiere als Teamplayer: Was wir von ihnen für die Zusammenarbeit im Job lernen können - Heidrun Jürgens Personaldienstleistungen Tierische Allianzen | campus.kn Wölfe sind die besseren Teamplayer - wissenschaft.de Wie leben Tiere zusammen - VRM Wochenblätter Natho, F. (2005). Die Lösung liegt im Team. Handbuch zur Arbeit mit der Skalierungsscheibe. Dessau: Gamus. Frank Natho systhema 3/2007 · 21. Jahrgang · Seite 357-370
von Alexandra Abredat 14. Dezember 2025
Wenn der Herbst die Gärten leiser macht und die letzten Blüten verblassen, beginnt für Schmetterlinge eine Zeit der Entscheidung. An milden Oktobertagen sitzt vielleicht noch ein Zitronenfalter reglos im Laub, als hätte ihn jemand vergessen. Kein Flattern, kein Suchen nach Nektar – nur Stille. Während wir Fenster schließen und Jacken hervorholen, prüfen Schmetterlinge ihre Optionen: bleiben oder gehen, erstarren oder reisen, sich verbergen oder verwandeln. Die meisten verschwinden aus unserem Blickfeld – und genau hier beginnt das große Missverständnis. Denn Schmetterlinge sind im Winter keineswegs verschwunden. Sie sind nur anders da: als Ei, als Raupe, als Puppe, als scheinbar lebloser Falter im Verborgenen oder auf dem Weg in den Süden. Bleiben oder gehen – die erste Entscheidung Nicht alle Schmetterlinge stellen sich dem Winter in Deutschland. Einige wählen den radikalsten Weg: die Flucht. Zu diesen sogenannten Wanderfaltern gehören Admiral, Distelfalter, Taubenschwänzchen oder Windenschwärmer. Sie verlassen Mitteleuropa im Herbst und ziehen Richtung Südeuropa oder sogar bis nach Afrika. Dabei legen sie Strecken von mehreren hundert bis zu über zweitausend Kilometern zurück. Orientierung bieten ihnen Sonnenstand, Landschaftsstrukturen und das Erdmagnetfeld. Der Winter wird also nicht „überstanden“, sondern schlicht umgangen. Erst ihre Nachkommen oder zurückkehrende Generationen tauchen im Frühjahr wieder bei uns auf. Diese Wanderungen sind keine romantischen Ausflüge, sondern eine nüchterne energetische Entscheidung: Wo es keine Nahrung gibt, lohnt sich kein Verharren. Ausharren als Falter – Überwintern im Stillstand Nur wenige unserer heimischen Tagfalter überstehen den Winter als ausgewachsener Schmetterling. In Baden-Württemberg sind es lediglich sechs Arten: Tagpfauenauge, Kleiner und Großer Fuchs, C-Falter, Trauermantel und der Zitronenfalter. Sie suchen im Spätherbst geschützte Orte auf – Baumhöhlen, Felsspalten, Holzschuppen, Scheunen, Keller oder Dachböden. Dort hängen sie reglos, oft kopfüber, und fallen in eine Winterstarre. Winterstarre bedeutet: Der Stoffwechsel wird auf ein Minimum heruntergefahren, Bewegung eingestellt, Energie gespart. Jeder unnötige Reiz kostet Reserven. Genau hier lauert eine der größten Gefahren durch den Menschen: die sogenannte Wärmefalle. Steigt die Umgebungstemperatur dauerhaft über etwa zwölf Grad – etwa durch eine Heizung – erwachen die Falter. Sie flattern umher, verbrauchen Energie, finden aber keine Nahrung. Bleiben sie in der Wärme, verhungern sie. Setzt man sie unbedacht ins Freie, droht der Kältetod. Entscheidend ist daher ein kühler, frostfreier Ort mit der Möglichkeit, im Frühjahr wieder ins Freie zu gelangen. Der Sonderfall Zitronenfalter – Frostschutz aus eigener Produktion Der Zitronenfalter nimmt unter den heimischen Arten eine Sonderstellung ein. Er überwintert als einziger mitteleuropäischer Schmetterling ungeschützt im Freien, oft im trockenen Laub am Boden oder am Fuß von Bäumen. Möglich macht das ein körpereigenes Frostschutzsystem: Durch die Anreicherung seiner Körperflüssigkeiten mit Glycerin, Sorbit und Eiweißen senkt er den Gefrierpunkt so stark ab, dass Temperaturen bis minus zwanzig Grad überstanden werden können. Selbst schneebedeckte Zitronenfalter wurden schon gefunden – reglos, aber lebendig. Diese Fähigkeit erklärt auch sein ungewöhnlich langes Leben: Während viele Falter nur wenige Wochen leben, kann der Zitronenfalter fast ein Jahr alt werden. Er legt lange Ruhephasen ein – im Sommer wie im Winter – und startet im Frühjahr oft als einer der ersten Schmetterlinge in die neue Saison. Verwandlungspause – Winter als Entwicklungszeit Für die Mehrheit der Schmetterlinge gilt jedoch: Nicht das erwachsene Tier überlebt den Winter, sondern der Lebenszyklus. Viele Arten sterben im Herbst nach der Fortpflanzung. Gesichert wird nicht das Individuum, sondern die nächste Generation. Ein Teil der Arten überwintert als Puppe. Schwalbenschwanz, Aurorafalter oder Landkärtchen sind dann gut geschützt in einer Chitinhülle, angeheftet an Pflanzenstängeln, verborgen im Boden oder eingesponnen in Kokons. Andere Arten gehen als Raupe in den Winter – etwa Bläulinge, Schillerfalter oder das Schachbrett. Manche verkriechen sich unter Rinde oder Laub, andere bauen sich spezielle Gespinste, sogenannte Hibernarien. Wieder andere harren nahezu schutzlos an ihren Futterpflanzen aus. Auch das Ei kann ein Winterquartier sein, etwa beim Apollofalter oder Nierenfleck-Zipfelfalter. Winzig, unscheinbar und erstaunlich widerstandsfähig trotzen diese Entwicklungsstadien Frost, Trockenheit und Zeit. Energie sparen um jeden Preis Allen Strategien gemeinsam ist ein zentrales Prinzip: Energie. Im Winter gibt es keine Blüten, keinen Nektar, kaum Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme. Deshalb wird gespart, gedrosselt, stillgelegt. Jede Störung – Bewegung, Wärme, falsches Umsetzen – kann den fein austarierten Energiehaushalt kippen. Der Winter ist für Schmetterlinge keine Schlafenszeit, sondern ein biologischer Ausnahmezustand. Klimawandel – wenn der Winter aus dem Takt gerät Zunehmend problematisch sind milde Winterphasen. Warme Tage im Februar oder März können überwinternde Falter aus der Starre holen. Sie erwachen, finden jedoch noch keine Nahrung. Kommt danach erneut Frost, überleben viele diese zweite Kältephase nicht. Der Klimawandel verändert damit nicht nur Temperaturen, sondern ganze Zeitpläne – und stellt besonders überwinternde Falter vor neue Risiken. Was wir tun können – helfen durch Nichtstun Der wichtigste Beitrag des Menschen ist oft Zurückhaltung. Wer überwinternde Falter entdeckt, sollte sie nicht stören. Gärten profitieren von Unordnung: liegen gelassenes Laub, stehen gelassene Stängel, Reisig- und Steinhaufen bieten lebenswichtige Winterquartiere. Gartenhäuser, Schuppen oder unbeheizte Garagen können helfen – vorausgesetzt, sie bleiben kühl und bieten im Frühjahr einen Ausgang ins Freie. Findet man einen Falter in einem beheizten Raum, ist behutsames Umsiedeln gefragt: vorsichtig in eine Pappschachtel setzen, kühl und frostfrei unterbringen, Flügel niemals berühren. Und im Frühling: Türen, Fenster und Luken öffnen. Wenn dann die ersten sonnigen Tage kommen und ein Zitronenfalter gelb durch den noch kahlen Garten flattert, ist das kein Wunder. Es ist das sichtbare Ende eines langen, stillen Winters – und der Beweis, dass Überleben manchmal vor allem eines braucht: Ruhe. Sonderfall Winterliebe: Der Frostspanner Während die meisten Schmetterlinge den Winter meiden, verschlafen oder in andere Entwicklungsstadien auslagern, gibt es Arten, die der Kälte bewusst entgegentreten. Ein besonders anschauliches Beispiel sind die Frostspanner. Wer im Spätherbst oder frühen Winter nachts durch Wälder oder an Baumreihen entlangfährt, kann sie im Lichtkegel der Scheinwerfer entdecken: kleine, helle Falter, die scheinbar unbeeindruckt von Frost und Dunkelheit umherflattern. Biologisch betrachtet ist dieses Verhalten ebenso kühn wie klug. Beim Kleinen Frostspanner (Operophtera brumata) und beim Großen Frostspanner (Erannis defoliaria) erscheinen die erwachsenen Falter erst sehr spät im Jahr – meist ab November, manchmal sogar noch bei leichtem Frost. Die Männchen sind flugfähig und auf nächtlicher Suche nach Weibchen, die hoch oben in den Baumkronen sitzen. Diese wiederum besitzen keine Flügel. Stattdessen klettern sie an Baumstämmen empor und senden von dort intensive Sexualduftstoffe aus, sogenannte Pheromone, die die Männchen zuverlässig anlocken. Der Winter bietet den Frostspannern dafür ideale Bedingungen. Viele ihrer natürlichen Feinde sind zu dieser Jahreszeit nicht aktiv: Fledermäuse halten Winterruhe, Zugvögel sind längst im Süden, und auch die Konkurrenz anderer Nachtfalter ist minimal. Kälte wird hier nicht zum Hindernis, sondern zur strategischen Bühne für die Fortpflanzung. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre winzigen Eier gut versteckt in Rindenritzen ab. Die erwachsenen Tiere selbst leben nur wenige Tage; ihre Mundwerkzeuge sind verkümmert, Nahrung nehmen sie nicht mehr auf. Im Frühjahr schlüpfen die Raupen pünktlich zum Blattaustrieb. Vor allem die grünen Raupen des Kleinen Frostspanners sind dann gefräßig und können Bäume zeitweise kahl fressen – ein Anblick, der dramatischer wirkt, als er ist. Die meisten Gehölze treiben problemlos wieder aus. In naturnahen Gärten regulieren Vögel wie Kohlmeisen den Raupenbestand ganz von selbst. Eine weitere Besonderheit verbindet die Frostspanner mit anderen Überwinterungsstrategen der Insektenwelt: In ihren ersten Lebenstagen lassen sich die Jungraupen mithilfe feiner Seidenfäden vom Wind verdriften. Dieses sogenannte „Ballooning“ sorgt dafür, dass sich die nächste Generation im Lebensraum verteilt – ein leiser, luftiger Neuanfang nach einem Winter, der für ihre Eltern das Ende bedeutete. Der Frostspanner zeigt damit eindrucksvoll, dass Überwinterung nicht immer Rückzug oder Starre bedeutet. Manchmal heißt sie auch: hinausgehen in die Kälte, wenn sonst niemand mehr unterwegs ist – und genau dort erfolgreich sein. Quellen: Schmetterlingen in der Wohnung helfen Überwinterung der Schmetterlinge, NABU Baden-Württemberg Wie überwintern Schmetterlinge? - Plantura Schmetterlinge überwintern: Hier finden sie ein Winterquartier | kraut&rüben Schmetterlinge im Winter - NABU NRW Frostspanner: Duftendes Liebeswerben in kalten Nächten - NABU aktion tier – Menschen für Tiere e.V.: Überwinterungsstrategien unserer Schmetterlinge und wie man ihnen helfen kann
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