Gift. Macht. Intrigen.
Gift ist älter als jede Polizeiakte, älter als jede Detektivgeschichte, älter als die Gedichte der Alten Griechen. Es ist die stille Komplizin der Geschichte, die uns lehrt, dass Macht und Tod oft Hand in Hand gehen. Ein Kelch, ein Getränk – und 399 v. Chr. trinkt Sokrates den berüchtigten Schierlingsbecher, den kṓneion. Coniin, das tödliche Alkaloid des Gefleckten Schierlings, arbeitet von unten nach oben, lähmt Füße, Beine, Brustkorb, erstickt den Atem. Platons „Phaidon“ verschönt den Vorgang, beschreibt Ruhe, Würde, fast sakral, doch die Chroniken der Medizinhistoriker bestätigen die gnadenlose Realität. Thrasyas aus Mantinea wusste von Mohnextrakt, einem sanften, beruhigenden Begleiter des Todes, dem antiken „Beruhigungsmittel für Sterbende“.
Die Straßen Athens waren ein Labyrinth aus Intrigen, Mini-Krimis auf Pflastersteinen, die noch heute in den Texten der Historiker nachhallen. Theramenes, Polemarchos, Phokion, Nikokles – Politiker, Redner, Freunde des Staates – alle tranken, alle starben, alle hinterließen Fragen. Manchmal war es ein Becher, manchmal ein heimlicher Extrakt, der Rivalen in den Wahnsinn trieb, die Augen weit aufgerissen, das Herz wie wild trommelnd, bevor der Körper nachgab.
Nicht nur Sokrates lernte die stille, unbarmherzige Lektion der Pflanzen. Die Tollkirsche, Atropin, führte die Opfer auf nächtliche Halluzinationsreisen, ließ Gedanken und Realität verschwimmen.
Ein Dichter schrieb:
Die Augen wie schwarze Monde,
das Herz tanzt, das Blut fließt wild,
die Nacht der Tollkirsche nimmt dich,
ein Traumbote, der nie zurückkehrt.
Goldregen, Cytisin, ein feiner, fast unsichtbarer Mord: ein Biss, ein Schluck Wasser, eine Mahlzeit – und das Opfer erstickte im eigenen Körper, Muskeln gaben nach, Atemnot. Curare aus südamerikanischen Ranken lähmte geschickt Muskel für Muskel, bis der Körper stumm wurde, das Bewusstsein jedoch scharf, ein stilles Martyrium. Anatoxin A, Cyanobakteriengift, Epibatidin der Baumsteigerfrösche – exotische Gifte, mit denen ein geschickt geplanter Mord fast unsichtbar blieb.
Rom sah ähnliche Szenen. Ein Senator, verfeindet mit einem anderen, wurde mit einer Mischung aus Schierling und Mohn vergiftet. Die Zeugen erzählten später von einem flüchtigen Schatten in der Nacht, von geheimnisvollen Dienern und von einem Brief, der niemals geöffnet wurde. In mittelalterlichen Städten wurden Brunnen kontaminiert, Zisternen mit Tollkirsche, Nachtschatten und gefälschten Elixieren versehen, ganze Dörfer geängstigt. Historiker berichten, dass ein Tropfen Gift im Brunnen ausreichte, um eine Stadt in Angst und Misstrauen zu stürzen.
In Italien des 16. Jahrhunderts erschuf Giulia Tofana ihre berühmten „Acque Tofane“, tödliche Tränke aus Schierling und Nachtschatten, geschickt verteilt an unglückliche Ehemänner. Ganze Adelsfamilien wurden dadurch zu Spielfiguren eines leisen, unsichtbaren Krimis. In England wurde 1817 die junge Mary Blandy wegen des Vergiftens ihres Vaters mit Arsen hingerichtet; die Briefe und Gerichtsakten lesen sich wie ein Kriminalroman, gespickt mit Liebe, Verrat und Geheimnissen.
Die Literatur hat Gift verewigt. Poe ließ in „Das Fass Amontillado“ einen tödlichen Plan durch Wein und Intrige wirken, Dumas’ „Graf von Monte Christo“ kennt den subtilen Schierling, den heimlich in Speisen gestreuten Tod. Shakespeare lässt in seinen Dramen immer wieder die Wirkung von Pflanzenmorden aufleuchten, während Goethe und Heine Gift als Metapher für Macht und Eifersucht nutzten.
Die Natur liefert die Werkzeuge, der Mensch wählt den Zeitpunkt. Die Straßen Athens, die mittelalterlichen Burgen, die italienischen Paläste und englischen Landhäuser sind Zeugen von Intrigen, von heimlichen Giften und stillen Krimis. Wer weiß, welche stille Komplizin heute noch im Garten wächst, im Busch am Wegesrand, im Glas Wein – ein Tropfen Coniin, ein Hauch Atropin, und das Spiel beginnt von Neuem. Und manchmal, wenn der Mond über dem Pflaster Athens scheint, kann man fast hören, wie Sokrates’ letzte Gedanken durch die Jahrhunderte flüstern:
Seht, wie eng Weisheit und Tod sich umarmen.
Die 10 gefährlichsten Giftpflanzen im Garten
- Seidelbast (Daphne mezereum)
Trotz hübscher Blüten hochgiftig: Hautreizungen, Magen-Darm-Probleme, Herzbeschwerden. - Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)
Colchicin greift Zellen an, verursacht Übelkeit, Krämpfe, Nieren- und Leberschäden. - Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)
Phototoxisch: Hautkontakt plus Sonne = schwere Verbrennungen. - Goldregen (Laburnum anagyroides)
Cytisin in Hülsen und Blüten löst Erbrechen, Krämpfe und Herzrhythmusstörungen aus. - Tollkirsche (Atropa belladonna)
Atropin & Scopolamin: Halluzinationen, Lähmungen, Herzrasen, Atemstillstand. - Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus)
Alkaloide in Früchten führen zu Krämpfen, Erbrechen, Herzversagen. - Eibe (Taxus baccata)
Taxin blockiert Herz und Kreislauf – klassisches literarisches Mordmittel. - Rizinus (Ricinus communis)
Ricin zerstört Zellen: Erbrechen, Durchfall, Kreislaufversagen. - Maiglöckchen (Convallaria majalis)
Herzglykoside verursachen Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Schwindel. - Eisenhut (Aconitum napellus)
Aconitin lähmt Nerven und Herz, kann tödlich sein; oft in Mini-Krimis erwähnt.
Giftnotrufzentrale in Deutschland
Berlin: Giftnotruf Berlin
Giftnotruf der Charité Universitätsmedizin Berlin
Campus Benjamin Franklin, Haus VIII (Wirtschaftsgebäude), UG
Notruf: 030 192 40
Telefax: 030 450 569 901 (Keine Notfall-Anfragen!)
E-Mail: giftnotruf@charite.de
Internetadresse: Giftnotruf Berlin
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
Quellen:
Liste giftiger Pflanzen – Wikipedia
Liste der Giftpilze – Wikipedia
Die 10 gefährlichsten Giftpflanzen im Garten - Mein schöner Garten











