Der Waschbär – Eingebürgerter Nachbar mit Pfiff
Gestern Abend stand ich ziemlich erledigt in der Küche – der Tag war lang, mein Kopf voll. Da fiel mein Blick zufällig aus dem Fenster, und plötzlich war alles andere vergessen: Fünf junge Waschbären turnten fröhlich durch meinen Zwetschgenbaum! Sie balancierten über die Äste, naschten vom Fallobst und blickten mit ihren schwarz umrahmten Augen neugierig in die Welt. Ein unerwarteter Besuch, der mich schmunzeln ließ – und mich daran erinnerte, wie faszinierend die Natur manchmal direkt vor unserer Haustür ist.
Er sieht aus wie ein kleiner Räuber mit seiner schwarzen Gesichtsmaske, bewegt sich mit buckeliger Haltung durch die Dämmerung und hat einen geringelten Schwanz wie aus dem Bilderbuch: Der Waschbär (Procyon lotor) ist da – und zwar nicht mehr nur im Wald. Parks, Gärten, Dachböden: Der kluge Kletterkünstler hat sich vielerorts eingerichtet. Doch während einige ihm fasziniert beim Klettern zuschauen, wünschen sich andere seine Ausrottung. Wer ist dieser pelzige Nachbar wirklich?

Eingebürgerter Nachbar auf dem Vormarsch
Der anpassungsfähige Neubürger polarisiert: Während die einen ihn am liebsten ausgerottet sähen, plädieren andere für eine friedliche Koexistenz. Doch der große Sündenbock, zu dem er oft gemacht wird, ist er wohl nicht. Wie so oft ist die Wahrheit vielschichtiger.
In der Dämmerung kommen die Waschbären aus ihren Tagesverstecken in Baumhöhlen, alten Fuchsbauten und menschlichen Behausungen hervor. Gut zu erkennen sind sie an ihrer gräulichen Fellfärbung, dem geringelten Schwanz, der schwarzen Gesichtsmaske und der leicht buckeligen Körperhaltung. Der Waschbär macht sich auf die Suche nach Nahrung. Und dabei ist er – ganz typisch Kleinbär – nicht gerade wählerisch.
Er jagt gerne an Gewässern, wo er mit den empfindlichen Vorderpfoten unter Wasser nach kleinen Fischen, Krebsen oder Fröschen tastet. An Land gehören auch Vögel, Mäuse, Echsen und Amphibien zu seinem Speiseplan. Und wenn’s pflanzlich sein darf: Obst, Nüsse oder Fallobst sind ebenso willkommen. Mit Köpfchen? Dann zieht es ihn dorthin, wo das Buffet nie leer wird – in unsere Städte, auf unsere Dächer, in unsere Mülltonnen. Essensreste, Futter für Haustiere oder offener Kompost sind für ihn eine Einladung.
Als anpassungs- und lernfähiges Tier hat der Waschbär in Parks, Grünanlagen oder Siedlungen kaum Probleme mit dem Überleben.

Ausrottung oder friedliche Koexistenz?
Als Pelzlieferant wurde der Waschbär in den 1920er und 1930er Jahren aus Nordamerika zu uns gebracht. 1934 wurde er in Hessen gezielt in die Freiheit entlassen, um ihn bei uns anzusiedeln – eine Entscheidung mit Folgen. Anfangs stand der Waschbär unter Schutz, doch im Laufe der Jahrzehnte wurde er zunehmend als „Problemart“ wahrgenommen.
Heute ist der Waschbär in allen Bundesländern jagdbar. Doch nicht überall gibt es dafür Jagdzeiten: In einigen Ländern herrscht eine ganzjährige Schonzeit – etwa zum Schutz der Jungenaufzucht. Diese Unterschiede zeigen, wie unterschiedlich der Umgang mit dem Tier bewertet wird.
Auch ist fraglich, ob eine Bejagung langfristig überhaupt etwas bringt. Aus Sicht der Populationsökologie bringt sie meist wenig: Waschbären können Verluste durch vermehrte Fortpflanzung ausgleichen – und wenn Tiere „entnommen“ werden, rücken oft neue aus benachbarten Gebieten nach.
Gleichwohl gibt es Regionen, in denen der Waschbär tatsächlich zu Problemen führt – insbesondere in empfindlichen Lebensräumen oder auf isolierten Brutflächen. Dort kann er Bodenbrüter wie den Kiebitz, Amphibien oder auch Greifvögel wie den Rotmilan gefährden. Aber auch hier gilt: Je strukturreicher und vielfältiger die Natur ist, desto geringer sind seine Auswirkungen. Statt der Bejagung sollte deshalb der Lebensraumschutz im Vordergrund stehen.
Für kleine Säugetiere, Amphibien und Vögel sind naturnahe Strukturen wie Hecken, Altholzbestände oder feuchte Rückzugsräume lebenswichtig. Dort können sie sich verstecken, brüten und finden mehr Nahrung. Der Schutz solcher Habitate bringt meist mehr als eine einzelne „Entnahme“ von Waschbären – die allenfalls im Ausnahmefall sinnvoll sein kann.

Wenn der Waschbär auf dem Dach tanzt
In einigen Regionen Deutschlands, etwa rund um Kassel, gibt es besonders viele Waschbären. Und manchmal nehmen sie Quartier in der Nähe des Menschen – etwa auf Dachböden, in Gärten oder Gartenhäusern. Hört man es nachts rumpeln und rascheln, kann es gut sein, dass ein pelziger Gast unterwegs ist.
Damit Waschbären nicht dauerhaft Untermieter werden, helfen ein paar einfache Vorsichtsmaßnahmen:
- Bäume und Sträucher, die an das Dach heranreichen, großzügig zurückschneiden
- Glatte Blechmanschetten (mind. 1 m hoch) an Fallrohren der Regenrinne anbringen
- Schornsteine mit stabilen Gittern sichern
- Mögliche Schlupflöcher und Einstiegspunkte mit solidem Material abdichten
- Katzenklappen nachts verschließen
Und auch im Garten gilt: Was nicht lockt, wird nicht besucht. Daher:
- Mülltonnen gut verschließen und nicht an Mauern oder Zäunen aufstellen
- Gelbe Säcke nur am Abholtag herausstellen oder sicher verstauen
- Keine tierischen oder stark riechenden Speisereste auf den Kompost geben
- Futternäpfe nachts wegräumen
- Öffentliche Mülleimer nicht als Picknickplatz hinterlassen

Zwischen Märchen und Wirklichkeit
Der Waschbär ist kein Kuscheltier – aber auch kein Dämon. Er ist ein Tier, das sich klug an unsere Welt angepasst hat. Einer, der lebt, wo er leben kann. Und der dabei nicht selten unser eigenes Verhalten spiegelt: Wer Essen draußen stehen lässt, wer Lebensräume zerstört oder Strukturen verarmen lässt, schafft genau jene Lücken, die findige Tiere zu nutzen wissen.
Vielleicht ist er ja ein bisschen wie ein Stummfilm-Räuber aus einer alten Geschichte: listig, pfiffig und mit einem Hang zu guten Gelegenheiten. Kein Drama – eher ein nächtlicher Mitbewohner auf leisen Pfoten. Und wer weiß – vielleicht wohnt auch in deinem Garten ein kleines nächtliches Märchen.
Als ich abends, zwar erschöpft, aber mit einem warmen Gefühl im Bauch mein Licht löschte, dachte ich noch an meine Uhus. Sie gehören eigentlich fest zu meinem Garten – jedes Jahr brüten sie irgendwo ganz in der Nähe. Doch in diesem Frühling blieb es still. Ich weiß nicht, woran es liegt.
Mit diesem offenen Fragezeichen schlief ich ein – nur um mitten in der Nacht wieder aufzuwachen. Und da war er: ein Ruf, langgezogen, geheimnisvoll und kraftvoll. Ein Uhu. Ganz in der Nähe.
Ich lächelte im Dunkeln. Vielleicht brütet er dieses Jahr nicht. Aber er ist da.
Ich bin dann doch nicht so allein.

Quellen:
www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/sonstige-saeugetiere/18751.html
de.wikipedia.org/wiki/Waschbär







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