Rosen- und Ziergehölze Pflanzenschnitt

Alexandra Wizemann

Der richtige Schnitt hält deine Pflanzen gesund und vital. Er sorgt nicht nur für eine üppige Blüte, sondern hält sie auch in Top-Form.

Gehölze, Kübelpflanzen und Rosen sind die Hauptdarsteller im Garten und manche benötigen viele Jahre um sich von ihren besten Seiten zu zeigen. Mit einem Schnitt fördere ich nicht nur die Blütenfülle oder die Entwicklung leckerer Früchte, sondern ich kann auch die natürliche Gestalt betonen oder sie kunstvoll in Szene setzen.


Unsere Gartenpflanzen unterliegen – sofern sie nicht einjährig sind – einer ständigen Veränderung. Sie werden größer, blühen, tragen Früchte und altern schließlich. Bei Sträuchern kann dieser Entwicklungs- und Alterungsprozess ein paar Jahre dauern, bei Bäumen viele Jahrzehnte. Kübelpflanzen aus subtropischen oder tropischen Gegenden, die zu den Gehölzen zählen, verändern sich über die Jahre hinweg und benötigen regelmäßige Pflege. Der Pflanzenschnitt gehört zu den anspruchsvollsten Arbeiten im Garten und deshalb wird er oft vernachlässigt. Aber mit etwas bisschen botanischem Know-how wird der Schnitt von Bäumen, Sträuchern und Rosen schließlich zur Routine. Wenn du verstehst wie Pflanzen wachsen und wie sie auf den Schnitt reagieren, weißt du wie und wann du schneiden musst.


Grundsätzlich ist jeder Schnitt ein aktiver Eingriff in das Wachstum der Pflanze. Je nachdem wann er ausgeführt wird, kann er das Wachstum bremsen oder ihn zum Wachsen anregen. Bei Ziergehölzen möchte ich die Entwicklung von Blütentrieben anregen, bei Obstgehölzen zum einen für eine reiche Ernte und zum anderen für stabile Triebe sorgen. Bei Rosen fördert der Schnitt nicht nur das Wachstum, sondern auch die Gesundheit. Aber der Schnitt kann natürlich auch dazu dienen, eine bestimmte Wuchsform zu erhalten, wie zum Beispiel bei Hecken, Kugeln oder Spalierpflanzen.


Wie Gehölze wachsen

Jede Pflanze besteht aus mehreren "Organen" mit unterschiedlichen Funktionen, die aber voneinander abhängig sind. Die oberirdischen Teile wie Krone mit Trieben, Blättern, Blüten und Früchten fallen im Gegensatz zu den in der Erde liegenden Wurzeln gleich ins Auge. Die Wurzel, die für das Wohl und Wachstum die Basis ist, steht in direkter Beziehung zur Krone. Im Herbst lagern in den Wurzeln Stärke und Zucker, was von den Blättern produziert wurde und umgekehrt leitet die Wurzel Wasser und Nährstoffe aus dem Boden wieder nach oben. Im Frühjahr, wenn die Pflanze noch blattlos ist, werden Wasser und Nährstoffe aus den Wurzeln nach oben in die Triebe gedrückt. Die Triebe beginnen nun zu wachsen. Wenn du jetzt schneidest, tropfen / bluten die Schnittstellen. Sobald die ersten Blätter da sind, lässt der Saftstrom nach und durch das Verdunsten der Blätter, entsteht ein Sog mit Wasser und Nährstoffen. Entfernst du jetzt Triebe mit Blättern, versiegt dieser Sog und die Schnittstellen bluten nicht. Dieselbe Menge von Nährstoffen verteilt sich auf die verbleibenden Triebe.


Wann schneiden?

Ein Schnitt im Frühjahr regt die Pflanze also zu einem kräftigen Austrieb an. Bei einem starken Schnitt gerät das Gleichgewicht von Krone und Wurzel aus den Fugen und die Pflanze benötigt oft Jahre um sich davon zu erholen. Bis das Gleichgewicht wieder hergestellt ist, bildet die Pflanze lange Triebe, sogenannte Schosse.

Schneidet man dagegen im Sommer, verbleiben weniger Blätter am Baum, die Reserven für den Winter bilden können. Die Wurzel und der nächste Austrieb im Frühjahr sind deshalb schwächer. Ob du das Wachstum anregen oder beruhigen möchtest, hängt also vom schnittzeitpunkt ab.


In den Blättern findet die Fotosynthese statt. Mit Hilfe von Sonnenlicht wird dort Zucker und Stärke produziert, die für die Bildung von neuen Trieben, Wurzeln und Knospen benötigt werden. Der Anspruch an Licht ist von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, aber alle richten ihre Blätter nach dem Licht aus. Werden die Triebe bedrängt, wachsen sie so lange in die entgegengesetzte Richtung, bis ihre Blätter wieder genügend Licht haben. Aus diesem Grund bildet ein dichtes Gehölz im schattigen Inneren kaum neue Triebe und Blätter.

Im Frühjahr treiben die Knospen aus, die im Vorjahr gebildet wurden. Bei vielen Gehölzen wird im Sommer bereits festgelegt, welche Knospe zur Blüte und welche zum Trieb wird. Allgemein kann man sagen, dass alle Frühjahrblüher, blühen, bevor sie wachsen. Sommerblüher haben im Vorjahr dagegen nur Triebknospen angelegt und entwickeln ihre Blütenanlagen erst wenn sie wachsen.


Der Saftdruck steuert das Wachstum

Im Säfte in einem Gehölz streben grundsätzlich nach oben und fördert die Stärke des Austriebs. In einem aufrecht wachsenden Trieb werden die Spitzenknospen deshalb stärker gefördert als tiefer liegende. Vorteil: Beste Lichtausbeute. Bei schräg wachsenden Trieben drückt der Saftstrom zwar auch nach oben, aber die oberste Knospe bekommt nicht mehr den gesamten Saftstrom, sondern dieser verteilt sich gleichmäßiger. Bei überhängenden Trieben bekommen überwiegend die Knospen am Scheitelpunkt den meisten Saftstrom. Diese Neuaustriebe sind ideal, um überhängende, vergreiste Triebe zu ersetzen.

Mit einem kräftigen oder schwachen Rückschnitt bestimmst du auch ob dein Trieb stark oder schwach austreibt, da sich dadurch der Saftstrom verändert. Generell kann man sagen, je stärker du schneidest, umso stärker ist der Neuaustrieb.


Verschiedene Triebformen

Um abschätzen zu können, welchen Wert der Trieb für die Blüte oder die Früchte hat, musst du das Alter der einzelnen Triebe beurteilen können. Dies- und einjährige Triebe wachsen den ersten Sommer in die Länge. Er ist meist unverzweigt und wächst im äußeren Bereich des Gehölzes. Die gut entwickelten Knospen treiben im nächsten Frühjahr aus.

Am Ende des zweiten Sommers ist der Trieb zweijährig und besitzt mehrere einjährige, Seitenverzweigungen. Diese verzweigen sich weiter und der Haupttrieb altert. Als altes Holz werden Triebe genannt, die älter als drei Jahre sind.

Bei Gehölzen bezeichnet man Triebe über 10 Länge als Langtrieb und solche unter 10 cm als Kurztriebe.


Blütenbildung

Das Alter der Triebe verrät dir, an welchen Trieben ein Gehölz blüht. Das ist entscheidend dafür, zu welchem Zeitpunkt und wie stark man schneidet.

# Frühjahrsblüher nach der Blüte

# Obstgehölze oft vor der Blüte da man sonst befruchtete Blüten entfernt

# Sommerblüher vor der Blüte im Frühjahr


Wuchsformen

Neben den bereits genannten Punkten ist für die Stärke des Schnitts auch die Wuchsform der Gehölze entscheidend. Manche bilden nur kurzlebige Schösslinge, andere entwickeln ein dauerhaftes Gerüst und verzweigen sich. Zu den Schösslingssträuchern gehören zum Beispiel die Bauernhortensie oder die Himbeere. Um nicht ein dichtes Gewirr zu bekommen, schneidest du sie regelmäßig und bodennah. Spiräen, Forsythien und Stachelbeeren entwickeln ebenfalls Neutriebe aus dem Boden, bilden jedoch bereits ein Gerüst aus. Damit diese vital bleiben, musst du sie ebenfalls regelmäßig schneiden und ältere Triebe bodennah entfernen. Gehölze wie Felsenbirne, Schneeball, Holunder bauen ein stabiles Gerüst auf und der Wachstumsschwerpunk liegt weiter oben als bei den vorherigen Gruppen. Solche Sträucher schneidet man im Rhythmus von drei bis vier Jahren und lichtet die verzweigten Köpfe aus. Soll der Strauch klein bleiben, kann man den stärksten Gerüsttrieb nach einigen Jahren durch bodenbürtige Jungtriebe ersetzen. Kornelkirsche, Flieder und Zierapfel gehören schon zu den Bäumen und bilden aus mehreren Trieben ein starkes Gerüst. Der Wuchsschwerpunkt liegt noch weiter oben im Gehölz. Solche Gehölze werden erst nach ein paar Jahren schön und benötigen nur einen sehr maßvollen Erziehungsschnitt. Mehr würde den Charakter zerstören.


Klima und Winterhärte

Jede Pflanze trägt die Information in sich, welche Temperaturen sie ausgepflanzt ohne Winterschutz aushält. In der Zeit von Oktober bis Januar solltest du den Pflanzenschnitt vermeiden. Die Schnittstellen können zurückfrieren oder eintrocknen. Frostempfindliche Pflanzen wie Lavendel erst schneiden, wenn er beginnt auszutrieben. Die Gefahr des Eintrocknen wird damit minimiert. Hecken und Formgehölze sollten nur bis Ende Juli geschnitten werden, damit die Neuaustriebe noch ausreifen können.


Rosen und Clematis

Rosen und Clematis werden in drei Gruppen eingeteilt:

# Frühblühende Clematis und einmal blühende Rosen blühen am einjährigen Trieben und werden daher nach der Blüte geschnitten.

# Frühsommerblühende Clematis und öfter blühende Rosen blühen an ein- und diesjährigen Trieben. Du schneidest sie im Frühjahr vor dem Austrieb.

# Sommerblühende Clematis blühen nur am diesjährigen Trieben. Auch diese schneidest du im Frühjahr vor dem Austrieb kräftig zurück.


Sonderfall Rosen

Rosen können je nach Art und Sorte ganz unterschiedliche Wuchsformen haben. Viele bauen ein Gerüst auf, vergreisen aber schon nach kurzer Zeit. Ramblerrosen bilden sehr starke Gerüsttriebe aus, aber man schneidet sie nur, wenn sie zu groß werden oder vergreisen. Ein regelmäßiger Schnitt wäre zu aufwendig. Öfterblühende Rosen oder Kletterrosen erschöpfen sich ohne Schnitt und blühen dann immer weniger. Deshalb musst du sie jährlich vor dem Austrieb zurückschneiden. Das regt den Neuaustrieb an und gibt Kraft für eine zweite Sommerblüte.


Nicht schneiden

Zwischen März und Oktober sind Rodungen und massive Gehölzschnitte untersagt, damit man die Vögel nicht beim Brüten stört. Pflegeschnitte sind jedoch erlaubt. Im Zweifel, am Besten die Gemeinde nach der gültigen Regelung fragen.


Quelle

Überwiegend aus dem Buch Pflanzenschnitt – das große GU Praxishandbuch von Hansjörg Haas, ISBN 978-9-8338-2536-1

Bild oben: David Austin Rose Crown Princess Margareta®

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Tausende Stare bewegen sich dabei wie eine einzige, atmende Masse durch den Himmel. Kein Anführer, kein Regisseur, kein zentrales Kommando – und doch absolute Synchronität. Der Grund ist denkbar pragmatisch: Raubvögel wie Falken können sich kaum auf ein einzelnes Ziel konzentrieren. Der Schwarm schützt jedes einzelne Tier durch pure Kooperation. Kein Vogel ist wichtiger als der andere, und genau das macht alle sicherer. Ein Prinzip, das auch in menschlichen Teams erstaunlich gut funktioniert – zumindest solange niemand versucht, sich dauerhaft in den Mittelpunkt zu drängen. Ähnlich klar organisiert ist die Zusammenarbeit bei Wölfen – allerdings weniger hierarchisch, als lange angenommen wurde. Moderne Verhaltensforschung zeigt: Ein Wolfsrudel ist meist eine Familiengemeinschaft, bestehend aus einem Elternpaar und dessen Nachwuchs. Entscheidungen entstehen oft situativ und kooperativ. Das berühmte Heulen ist kein Ausdruck von Romantik, sondern ein hochfunktionales Kommunikationsmittel. 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Auch das ist Natur: Kooperation braucht Verlässlichkeit – sonst endet sie abrupt. Nicht jede Symbiose ist so ausgewogen, wie sie lange schien. Beim Madenhacker etwa, der auf Antilopen, Büffeln oder Nashörnern sitzt, zeigte sich erst spät: Er frisst nicht nur Parasiten, sondern oft auch Fleisch aus offenen Wunden. Die Beziehung nützt häufig mehr dem Vogel als dem Säugetier. Zusammenarbeit ist also nicht automatisch fair. Ein wichtiger Hinweis für alle, die Teamarbeit idealisieren. Dass Kooperation sogar hochgradige kognitive Leistungen erfordert, zeigen aktuelle Forschungen zur gemeinsamen Jagd von Oktopussen und Rifffischen. Der Biologe Eduardo Sampaio und sein Team konnten nachweisen, dass diese Tiere ihr Verhalten flexibel aufeinander abstimmen. Die Fische zeigen dem Oktopus versteckte Beute, der Oktopus scheucht sie heraus oder umschlingt sie mit seinen Armen. Wer die Zusammenarbeit ausnutzt, riskiert Sanktionen. Kooperation erfordert Wahrnehmung, Lernen – und soziale Kontrolle. 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Erstrebenswert für menschliche Teams? Eher nicht. Denn natürlich hat Zusammenleben auch Nachteile. Konkurrenz um Nahrung, Rangkämpfe, Krankheiten und Parasiten gehören ebenso dazu. Tiergruppen müssen ständig abwägen, ob Kooperation sich lohnt. Gruppengröße, Verwandtschaft, Lebensraum und Jahreszeit entscheiden darüber, ob Teamarbeit Vorteile bringt oder zur Belastung wird. Und genau hier liegt die wichtigste Lehre für uns Menschen: Gute Teams entstehen nicht aus Harmonieversprechen, sondern aus Klarheit. Klare Kommunikation, verlässliche Rollen, gegenseitiger Nutzen und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Tiere zeigen uns nicht, wie man nett zusammenarbeitet – sondern wie man wirksam zusammenlebt. Vielleicht ist das der größte Mehrwert der Natur für Coachingprozesse: Sie erlaubt uns, Teamverhalten jenseits von Moral und Ideologie zu betrachten. Ehrlich, funktional und oft erstaunlich humorvoll. Denn manchmal reicht ein Blick ins Starengemurmel, um zu erkennen: Wenn alle versuchen, der Falke zu sein, wird das Team sehr schnell sehr klein. Quellen: Teamwork - 3sat-Mediathek Symbiose: Warum sich Tierarten zusammentun - [GEOLINO] Tiere als Teamplayer: Was wir von ihnen für die Zusammenarbeit im Job lernen können - Heidrun Jürgens Personaldienstleistungen Tierische Allianzen | campus.kn Wölfe sind die besseren Teamplayer - wissenschaft.de Wie leben Tiere zusammen - VRM Wochenblätter Natho, F. (2005). Die Lösung liegt im Team. Handbuch zur Arbeit mit der Skalierungsscheibe. Dessau: Gamus. Frank Natho systhema 3/2007 · 21. Jahrgang · Seite 357-370
von Alexandra Abredat 14. Dezember 2025
Wenn der Herbst die Gärten leiser macht und die letzten Blüten verblassen, beginnt für Schmetterlinge eine Zeit der Entscheidung. An milden Oktobertagen sitzt vielleicht noch ein Zitronenfalter reglos im Laub, als hätte ihn jemand vergessen. Kein Flattern, kein Suchen nach Nektar – nur Stille. Während wir Fenster schließen und Jacken hervorholen, prüfen Schmetterlinge ihre Optionen: bleiben oder gehen, erstarren oder reisen, sich verbergen oder verwandeln. Die meisten verschwinden aus unserem Blickfeld – und genau hier beginnt das große Missverständnis. Denn Schmetterlinge sind im Winter keineswegs verschwunden. Sie sind nur anders da: als Ei, als Raupe, als Puppe, als scheinbar lebloser Falter im Verborgenen oder auf dem Weg in den Süden. Bleiben oder gehen – die erste Entscheidung Nicht alle Schmetterlinge stellen sich dem Winter in Deutschland. Einige wählen den radikalsten Weg: die Flucht. Zu diesen sogenannten Wanderfaltern gehören Admiral, Distelfalter, Taubenschwänzchen oder Windenschwärmer. Sie verlassen Mitteleuropa im Herbst und ziehen Richtung Südeuropa oder sogar bis nach Afrika. Dabei legen sie Strecken von mehreren hundert bis zu über zweitausend Kilometern zurück. Orientierung bieten ihnen Sonnenstand, Landschaftsstrukturen und das Erdmagnetfeld. Der Winter wird also nicht „überstanden“, sondern schlicht umgangen. Erst ihre Nachkommen oder zurückkehrende Generationen tauchen im Frühjahr wieder bei uns auf. Diese Wanderungen sind keine romantischen Ausflüge, sondern eine nüchterne energetische Entscheidung: Wo es keine Nahrung gibt, lohnt sich kein Verharren. Ausharren als Falter – Überwintern im Stillstand Nur wenige unserer heimischen Tagfalter überstehen den Winter als ausgewachsener Schmetterling. In Baden-Württemberg sind es lediglich sechs Arten: Tagpfauenauge, Kleiner und Großer Fuchs, C-Falter, Trauermantel und der Zitronenfalter. Sie suchen im Spätherbst geschützte Orte auf – Baumhöhlen, Felsspalten, Holzschuppen, Scheunen, Keller oder Dachböden. Dort hängen sie reglos, oft kopfüber, und fallen in eine Winterstarre. Winterstarre bedeutet: Der Stoffwechsel wird auf ein Minimum heruntergefahren, Bewegung eingestellt, Energie gespart. Jeder unnötige Reiz kostet Reserven. Genau hier lauert eine der größten Gefahren durch den Menschen: die sogenannte Wärmefalle. Steigt die Umgebungstemperatur dauerhaft über etwa zwölf Grad – etwa durch eine Heizung – erwachen die Falter. Sie flattern umher, verbrauchen Energie, finden aber keine Nahrung. Bleiben sie in der Wärme, verhungern sie. Setzt man sie unbedacht ins Freie, droht der Kältetod. Entscheidend ist daher ein kühler, frostfreier Ort mit der Möglichkeit, im Frühjahr wieder ins Freie zu gelangen. Der Sonderfall Zitronenfalter – Frostschutz aus eigener Produktion Der Zitronenfalter nimmt unter den heimischen Arten eine Sonderstellung ein. Er überwintert als einziger mitteleuropäischer Schmetterling ungeschützt im Freien, oft im trockenen Laub am Boden oder am Fuß von Bäumen. Möglich macht das ein körpereigenes Frostschutzsystem: Durch die Anreicherung seiner Körperflüssigkeiten mit Glycerin, Sorbit und Eiweißen senkt er den Gefrierpunkt so stark ab, dass Temperaturen bis minus zwanzig Grad überstanden werden können. Selbst schneebedeckte Zitronenfalter wurden schon gefunden – reglos, aber lebendig. Diese Fähigkeit erklärt auch sein ungewöhnlich langes Leben: Während viele Falter nur wenige Wochen leben, kann der Zitronenfalter fast ein Jahr alt werden. Er legt lange Ruhephasen ein – im Sommer wie im Winter – und startet im Frühjahr oft als einer der ersten Schmetterlinge in die neue Saison. Verwandlungspause – Winter als Entwicklungszeit Für die Mehrheit der Schmetterlinge gilt jedoch: Nicht das erwachsene Tier überlebt den Winter, sondern der Lebenszyklus. Viele Arten sterben im Herbst nach der Fortpflanzung. Gesichert wird nicht das Individuum, sondern die nächste Generation. Ein Teil der Arten überwintert als Puppe. Schwalbenschwanz, Aurorafalter oder Landkärtchen sind dann gut geschützt in einer Chitinhülle, angeheftet an Pflanzenstängeln, verborgen im Boden oder eingesponnen in Kokons. Andere Arten gehen als Raupe in den Winter – etwa Bläulinge, Schillerfalter oder das Schachbrett. Manche verkriechen sich unter Rinde oder Laub, andere bauen sich spezielle Gespinste, sogenannte Hibernarien. Wieder andere harren nahezu schutzlos an ihren Futterpflanzen aus. Auch das Ei kann ein Winterquartier sein, etwa beim Apollofalter oder Nierenfleck-Zipfelfalter. Winzig, unscheinbar und erstaunlich widerstandsfähig trotzen diese Entwicklungsstadien Frost, Trockenheit und Zeit. Energie sparen um jeden Preis Allen Strategien gemeinsam ist ein zentrales Prinzip: Energie. Im Winter gibt es keine Blüten, keinen Nektar, kaum Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme. Deshalb wird gespart, gedrosselt, stillgelegt. Jede Störung – Bewegung, Wärme, falsches Umsetzen – kann den fein austarierten Energiehaushalt kippen. Der Winter ist für Schmetterlinge keine Schlafenszeit, sondern ein biologischer Ausnahmezustand. Klimawandel – wenn der Winter aus dem Takt gerät Zunehmend problematisch sind milde Winterphasen. Warme Tage im Februar oder März können überwinternde Falter aus der Starre holen. Sie erwachen, finden jedoch noch keine Nahrung. Kommt danach erneut Frost, überleben viele diese zweite Kältephase nicht. Der Klimawandel verändert damit nicht nur Temperaturen, sondern ganze Zeitpläne – und stellt besonders überwinternde Falter vor neue Risiken. Was wir tun können – helfen durch Nichtstun Der wichtigste Beitrag des Menschen ist oft Zurückhaltung. Wer überwinternde Falter entdeckt, sollte sie nicht stören. Gärten profitieren von Unordnung: liegen gelassenes Laub, stehen gelassene Stängel, Reisig- und Steinhaufen bieten lebenswichtige Winterquartiere. Gartenhäuser, Schuppen oder unbeheizte Garagen können helfen – vorausgesetzt, sie bleiben kühl und bieten im Frühjahr einen Ausgang ins Freie. Findet man einen Falter in einem beheizten Raum, ist behutsames Umsiedeln gefragt: vorsichtig in eine Pappschachtel setzen, kühl und frostfrei unterbringen, Flügel niemals berühren. Und im Frühling: Türen, Fenster und Luken öffnen. Wenn dann die ersten sonnigen Tage kommen und ein Zitronenfalter gelb durch den noch kahlen Garten flattert, ist das kein Wunder. Es ist das sichtbare Ende eines langen, stillen Winters – und der Beweis, dass Überleben manchmal vor allem eines braucht: Ruhe. Sonderfall Winterliebe: Der Frostspanner Während die meisten Schmetterlinge den Winter meiden, verschlafen oder in andere Entwicklungsstadien auslagern, gibt es Arten, die der Kälte bewusst entgegentreten. Ein besonders anschauliches Beispiel sind die Frostspanner. Wer im Spätherbst oder frühen Winter nachts durch Wälder oder an Baumreihen entlangfährt, kann sie im Lichtkegel der Scheinwerfer entdecken: kleine, helle Falter, die scheinbar unbeeindruckt von Frost und Dunkelheit umherflattern. Biologisch betrachtet ist dieses Verhalten ebenso kühn wie klug. Beim Kleinen Frostspanner (Operophtera brumata) und beim Großen Frostspanner (Erannis defoliaria) erscheinen die erwachsenen Falter erst sehr spät im Jahr – meist ab November, manchmal sogar noch bei leichtem Frost. Die Männchen sind flugfähig und auf nächtlicher Suche nach Weibchen, die hoch oben in den Baumkronen sitzen. Diese wiederum besitzen keine Flügel. Stattdessen klettern sie an Baumstämmen empor und senden von dort intensive Sexualduftstoffe aus, sogenannte Pheromone, die die Männchen zuverlässig anlocken. Der Winter bietet den Frostspannern dafür ideale Bedingungen. Viele ihrer natürlichen Feinde sind zu dieser Jahreszeit nicht aktiv: Fledermäuse halten Winterruhe, Zugvögel sind längst im Süden, und auch die Konkurrenz anderer Nachtfalter ist minimal. Kälte wird hier nicht zum Hindernis, sondern zur strategischen Bühne für die Fortpflanzung. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre winzigen Eier gut versteckt in Rindenritzen ab. Die erwachsenen Tiere selbst leben nur wenige Tage; ihre Mundwerkzeuge sind verkümmert, Nahrung nehmen sie nicht mehr auf. Im Frühjahr schlüpfen die Raupen pünktlich zum Blattaustrieb. Vor allem die grünen Raupen des Kleinen Frostspanners sind dann gefräßig und können Bäume zeitweise kahl fressen – ein Anblick, der dramatischer wirkt, als er ist. Die meisten Gehölze treiben problemlos wieder aus. In naturnahen Gärten regulieren Vögel wie Kohlmeisen den Raupenbestand ganz von selbst. Eine weitere Besonderheit verbindet die Frostspanner mit anderen Überwinterungsstrategen der Insektenwelt: In ihren ersten Lebenstagen lassen sich die Jungraupen mithilfe feiner Seidenfäden vom Wind verdriften. Dieses sogenannte „Ballooning“ sorgt dafür, dass sich die nächste Generation im Lebensraum verteilt – ein leiser, luftiger Neuanfang nach einem Winter, der für ihre Eltern das Ende bedeutete. Der Frostspanner zeigt damit eindrucksvoll, dass Überwinterung nicht immer Rückzug oder Starre bedeutet. Manchmal heißt sie auch: hinausgehen in die Kälte, wenn sonst niemand mehr unterwegs ist – und genau dort erfolgreich sein. Quellen: Schmetterlingen in der Wohnung helfen Überwinterung der Schmetterlinge, NABU Baden-Württemberg Wie überwintern Schmetterlinge? - Plantura Schmetterlinge überwintern: Hier finden sie ein Winterquartier | kraut&rüben Schmetterlinge im Winter - NABU NRW Frostspanner: Duftendes Liebeswerben in kalten Nächten - NABU aktion tier – Menschen für Tiere e.V.: Überwinterungsstrategien unserer Schmetterlinge und wie man ihnen helfen kann
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